Morton Feldman stellte einmal in einem Interview die Frage: ‚Wissen Sie, wann ich mich wirklich verrenne? Wenn ich nicht mit Null anfange.’ Das ist, so wie ich es verstehe, die eigentliche Aufgabe des Komponierenden. Solange an einem Material graben, sich in den Boden vorantreiben, die Hände quasi blutig machen, bis das Gestein fest ist, trägt und nicht weiter einbricht. Ich weiss, ein enormer Anspruch und fast ein bisschen anmassend. Aber an diesen Punkt zu gelangen, an dem eine musikalische Aussage verbindlich wird, ist nicht nur eine Frage des Kontextes, bei aller Bedeutung des Kontextes. Das heisst aber wiederum nicht, dass damit schon eine musikalische Sprache gefunden wäre.
Ich bin meiner selbst nicht so sicher, als dass ich dem ersten Einfall traue, schon gar nicht meinen Verarbeitungskünsten. Das Misstrauen ist ein grundsätzlicheres.
Wenn Musik mit Kunst zu tun haben will, im Sinne der ursprünglichen Bedeutung des Wortes Kunst (gr. Techné, was soviel wie das Entbergen eines verborgen Dahinterliegenden bedeutet), dann eröffnen sich genau an diesem Punkt Wünsche an das Schaffen: ein einmal gefundenes tragfähiges Material so zu beleuchten, dass sein eigenes Gesicht erkenntlich wird. Dort erfüllt sich Form von alleine, dort stellt sich kein komponierendes Subjekt störend dazwischen. An diesem Punkt kann Musik zu sich selber finden, es entsteht eine immer wieder neu kräftigende Landschaft, vergleichbar einem Gang durch die Natur. An diesen Punkt ist zu gelangen. Sei es eine kristalline Berglandschaft, sei es ein Moor, ein abgelegenes Idyll, eine urbane Hektik oder eine andere Gegend: eine Musik jedenfalls, die zu wachsamen Gängen herausfordert und erfrischt.
Die Hände blutig schlagen, bis das Material trägt
Was heisst das?
Heute ist jedes akustische Ereignis als musikalischer Ausgangsbaustein möglich und denkbar. Die Frage ist weniger, was als Ausgangspunkt gewählt wird. Es geht jedoch darum, das gewählte Ausgangsmaterial in ein Kommunikationssystem zu stellen, in dem dem Ausgangsbaustein jene Bedeutung zukommt, die seine Charakteristik freilegt. Dieses Abarbeiten verstehe ich als ein: solange Graben, bis die Hände blutig sind.
Das Schaffen eines Kommunikationssystems, also ein Definieren des verwendeten Ausgangsbausteins, schafft eine hörbare Verbindlichkeit, die Hörer und Spielerin aktiv an der Musik beteiligen. Aus dieser Aktivität resultiert eine Energiezufuhr: die Musik kräftigt sich, ein erster Konzentrationspunkt ist erreicht. In der Sprache Robert Walsers:“ Immer ist mir nur das geglückt, was ruhig aus mir selbst wachsen konnte und was irgendwie erlebt war.“ (Carl Seelig, Wanderungen mit Robert Walser, Suhrkamp)